Allein die Anatomie des Menschen zeigt, was durch den allgegenwärtigen Fitness Trend im Alltag immer präsenter und von Studien zu Gesundheit erfasst wird: Der menschliche Körper ist ein Bewegungsapparat, dem wir durch unverhältnismäßig langes Sitzen massiven Schaden zufügen.
Bewegungsarmut ist Gift für den Körper, und doch verbringen wir immer mehr Zeit damit, ihn durch Sitzen in eine ungesunde Haltung zu zwingen. Schuld daran ist teilweise die immer weiter steigende Anzahl der Menschen, die eine Tätigkeit im Büro ausüben. Die AOK schätzt die Anzahl der Menschen, die in Deutschland täglich auf dem Bürostuhl Platz nehmen, auf etwa 17 Millionen.
Sitzen beansprucht Rückenmuskulatur stärker
Dabei verrichtet die Skelettmuskulatur schwere Arbeit. Gemessen am Druck, der auf die Bandscheiben ausgeübt wird, erfordert zu langes, unbewegtes Sitzen eine stärkere Leistung von Wirbelsäule und Rückenmuskulatur als beim Stehen oder Gehen. So ist eine Bandscheibe während des Stehens einem Druck von 100 Prozent ausgesetzt. Beim Liegen beträgt der Druck lediglich 70 Prozent, wohingegen das Sitzen einen Druck von 140 Prozent auslöst. Bei vorgebeugter Haltung sollen es sogar bis zu 190 Prozent sein. Man spricht dabei auch von der typischen „Schreibtischhaltung“, aus der man sich in etwa 85 Prozent der Zeit nicht löst.
In der Freizeit sieht es jedoch nicht besser aus. Hobbys außerhalb von sportlichen Aktivitäten und vor allem Mediennutzung werden fast ausschließlich im Sitzen ausgeübt. So verbringen wir den Großteil unseres Tages im Sitzen – bis zu 14 Stunden täglich sollen es sein, wobei die tatsächliche Stundenanzahl von Mensch zu Mensch variiert.
Nicht für das Sitzen geschaffen
Was für uns Alltag ist, war von der Evolution so nicht vorgesehen. Der menschliche Körper ist nicht für die Bewegungslosigkeit geschaffen. Doch in der modernen Welt können wir dem Lebensstil unserer Vorfahren, der Jäger und Sammler, nicht mehr gerecht werden. Nicht nur beim Arbeiten und in der Freizeit, sondern selbst unsere Arbeitswege legen wir sitzend zurück. Immer wenn wir mehrere Stunden in der Sitzposition verharren, fährt sich der Stoffwechsel komplett herunter und die Zellen werden mit weniger Sauerstoff und Vitalstoffen versorgt. Darunter leiden Organe, Gewebe und vor allem die Konzentration. Besonders betroffen von zu langem Sitzen sind die Gefäßfunktionen in den Beinen, die um bis zu 50 Prozent abnehmen und somit das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.
Sitzkrankheit
Heutzutage redet man schon von der „sitzenden Gesellschaft“, die die Folgen der ungesunden Sesshaftigkeit mit einem Namen ehrt: „Sitting-Desease“, auch Sitzkrankheit genannt. Unterstützend verbreiten die Medien im Namen der Fitnessgesellschaft diverse Schlagzeilen zum Thema Gesundheit, die verlauten: Sitzen ist das neue Rauchen.
Folgen durch chronischen Bewegungsmangel
Die Folgen der chronischen Bewegungslosigkeit sind Rücken- und Nackenschmerzen, Verspannungen sowie Haltungsprobleme, die langfristige Schäden im gesamten Körper anrichtet. Denn eine falsche Sitzhaltung führt zum Erschlaffen der Bauchmuskulatur, wodurch der Oberkörper eine sogenannte Rundrückenhaltung annimmt, und zu einer ungleichmäßigen Belastung der Bandscheiben führt.
Atem- und Verdauungsorgane leiden
Zusätzlich können Stress und schlechte Beleuchtung am Arbeitsplatz Anspannungen weiter verstärken, die in den Körper ausstrahlen und Muskelverhärtungen verursachen. Die inneren Organe werden sozusagen eingeklemmt, besonders Atem- und Verdauungsorgane leiden unter der Fehlhaltung und damit verbundener mangelnder Durchblutung.
Arbeitsunfähigkeit durch Sitzen
Die massive Schädigung des Stütz- und Bewegungsapparates unseres Körpers hat zur Folge, dass Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems an der Spitze der Arbeitsunfähigkeitsstatistik stehen. Laut AOK lassen sich rund 23 Prozent aller krankheitsbedingter Arbeitsausfälle darauf zurückführen. Experten meinen sogar nachweisen zu können, dass die Wahrscheinlichkeit in den nächsten drei Jahren zu sterben, bei Menschen, die mehr als elf Stunden am Tag sitzen, um 40 Prozent höher ist als bei denen, die weniger als vier Stunden am Tag sitzen. Selbst regelmäßiger Sport kann uns nicht vor den Folgen des Sitzens schützen. Deshalb sollte man nicht nur auf eine aufrechte und unverkrampfte Haltung achten, sondern das tägliche Sitzen durch regelmäßige Bewegungspausen unterbrechen.
Gezielt Pausen für Spaziergänge einbauen
Nicht nur zum Kaffee holen lassen sich solche Pausen einplanen. Auch zum Telefonieren kann man aufstehen, das Meeting oder die Besprechung mit Kollegen im Stehen abhalten oder Büromaterial absichtlich außer Reichweite deponieren. Zwischendurch mal die Beine hochzulegen, nimmt enormen Druck vom Rücken und entlastet ihn vorübergehend. Pausen sollte man für kleine Spaziergänge oder kurze Gymnastikübungen nutzen und bestenfalls gezielt einplanen. Um den Rücken zu entspannen, kann man sich beispielsweise vorne auf die Stuhlkante setzen, die Oberarme am Körper anlegen und die Unterarme in einem Winkel von 90 Grad auf die Oberschenkel beugen. Während die Hände geöffnet sind und der Daumen nach oben zeigt, sollen mit den Unterarmen je 30 Sekunden lang abwechselnd kurze, schnelle Hackbewegungen gemacht werden, als ob man ein Objekt zerteilen wollte. Kleine Übungen wie diese erfordern kaum Zeitaufwand und stärken auf lange Sicht die Wirbelsäule.
Sitzverhalten und Haltungsfehler analysieren
Auch die Sitzfläche sollte vollständig ausgenutzt werden und genug Spielraum für regelmäßige Positionswechsel lassen, um kontinuierlich die Durchblutung anzuregen. Technische Unterstützung kann man sich jetzt vom Sitzsensor „S 4.0 Active Sitting Solution“ holen, den die Firma Garmin zusammen mit Bürostuhl-Hersteller Interstuhl entwickelt hat. Als Chip wird er unter dem Bürostuhl befestigt und über eine Software mit dem Computer verbunden. So analysiert er Sitzverhalten und Haltungsfehler, gibt Tipps und Anweisungen für eine bessere Körperhaltung und mehr Bewegung. Bei einem empfohlenen Sitzpositionswechsel von bis zu 70 Mal pro Stunde ein willkommener Helfer und möglicherweise zukunftsweisend bei der Verbesserung unserer Sitz- und Lebensqualität.