Alkohol ist aus dem gesellschaftlichen Leben einfach nicht wegzudenken. Dabei stellt dieser ein starkes Zellgift dar und erhöht das Risiko, Krebs sowie zahlreiche weitere Krankheiten zu erleiden. Doch ab wann genau wird er zum ernsthaften Gesundheitsrisiko?
Ein Feierabendbierchen mit Freunden, ein Glas Sekt zum Anstoßen oder ein Glas Wein beim Abendessen – Alkohol ist fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Als Zellgift begünstigt dieser allerdings zahlreiche Krankheiten wie etwa Krebs. Dabei sind die aktuellsten Zahlen der WHO zum Alkoholkonsum der Deutschen besorgniserregend. Laut dem „Global Status Report on Alcohol and Health 2018“ konsumieren Ü-15-Jährige in Deutschland im Schnitt 13,4 Liter reinen Alkohol pro Jahr. Damit belegt Deutschland eine Spitzenposition (Platz 5) im weltweiten Vergleich und liegt weit über dem europäischen Durschnitt von 9,8 Litern pro Jahr und Kopf. Weltweit liegt der Schnitt mit 6,4 Liter sogar noch tiefer.
Männer konsumieren dreimal so viel Alkohol wie Frauen
Verteilt man den verbrauchten Alkohol auf die tatsächlichen Trinker, zeichnet sich ein ganz anderes Bild. Der größte Teil in Deutschland wird nämlich von Männern konsumiert. Sie nehmen mit 24 Litern pro Kopf und Jahr fast die dreifache Menge der Frauen zu sich. Rund 20 Prozent der Ü-15-Jährigen haben in den letzten 12 Monaten gar keine alkoholischen Getränke getrunken, rund acht Prozent davon bezeichnen sich als lebenslang abstinent. Damit unterscheidet sich Deutschland in Sachen Alkoholkonsum bei genauerem Blick nur noch unerheblich von seinen europäischen Nachbarn, wenngleich in Deutschland weniger Menschen abstinent leben.
Männer +15 Jahre reiner Alkohol in Liter pro Kopf und Jahr |
Frauen +15 Jahre reiner Alkohol in Liter pro Kopf und Jahr |
12 Monate abstinent | |
Tschechien | 26,9 | 9,3 | 24,6 % |
Deutschland | 24 | 8,3 | 20,6 % |
Polen | 23,8 | 8,3 | 32 % |
Frankreich | 23,6 | 8,3 | 24,7 % |
Österreich | 21,1 | 7,4 | 21,9 % |
Finnland | 20,6 | 7,2 | 27,5 % |
Wie wirkt Alkohol auf Körper und Psyche?
Aus biologischer Sicht handelt es sich bei Ethanol (Trinkalkohol) um ein wasserlösliches Zellgift. Nehmen wir ihn also zu uns, gelangt ein Teil davon bereits über die Schleimhäute in Mund, Speiseröhre und Magen in den Blutkreislauf. Dort angelangt verteilt er sich zügig im gesamten Körper, passiert binnen weniger Minuten die Blut-Hirn-Schranke und stört durch seine Einlagerung in Zellmembranen die Kommunikationsfähigkeit von Nervenzellen. Als direkte Reaktion werden im Zentralennervensystem sowohl Botenstoffe, die die Kommunikation der Nervenzellen untereinander verlangsamen, als auch stimmungsaufhellendes Dopamin und Serotonin ausgeschüttet. Die Blutgefäße beginnen sich zu weiten, Körper und Psyche entspannen, bis der Puls und Blutdruck wieder ansteigen – ein Gefühl der Anregung und Leichtigkeit tritt ein.
Was verzögert und was beschleunigt die Aufnahme
Rund ein Viertel des konsumierten Alkohols wird bereits über die Magenschleimhäute aufgenommen. Ein voller Magen verzögert die Aufnahme – Zucker, Kohlensäure und Wärme beschleunigen hingegen den Transfer ins Blut. Je nach Art der Spirituose, Menge des zugeführten alkoholischen Getränks und Füllzustand des Magens werden zwischen zehn und 30 Prozent des Alkohols unverarbeitet über Schwitzen, Atmung und Urin ausgeschieden, ohne in den Blutkreislauf überzuwechseln. Zu diesem sogenannten Resorptionsdefizit tragen auch entsprechende Enzyme im Magen bei, die den Alkohol vor dem Übergang zum Dünndarm abbauen.
Sprach- und Gleichgewichtsstörung bis Atemstillstand
Im Dünndarm erhöht sich die Resorptionsgeschwindigkeit. Steigt die Ethanolkonzentration im Blutkreislauf an, nehmen die Signalstörungen der Nervenzellen zu. Bereits bei geringen Mengen von unter 0,002 Prozent Blutalkohol kommt es zu deutlichen Effekten auf Wahrnehmung und Stimmung. Mit zunehmender Blutalkoholkonzentration (BAK) verringern sich Blickfeld, Kontrolle und Motorik des Konsumenten. Die psychotrope Wirkung von Alkohol wirkt sich zunehmend auf Emotionalität, Bewusstseinswahrnehmung und kognitive Leistungsfähigkeit aus. Die ersten Rauschsymptome stellen sich schließlich ab ein Promille mit zunehmenden Motorik-, Sprach- und Gleichgewichtsstörungen ein. Ab zwei Promille folgen Gedächtnis- und Orientierungsstörungen. Bereits ab 2,5 Promille droht eine Alkoholvergiftung mit potentiell tödlichen Folgen durch Atemstillstand.
Menge | BAK | Wirkung |
0,33 l Bier bzw. 0,2 l Wein | < 0,2 ‰ | Enthemmung und Anregung |
1 l Bier bzw. 0,5 l Wein | 0,5 ‰ | Nachlassen der Reaktionsfähigkeit und des Urteilsvermögens |
2 l Bier bzw. 1 l Wein | 1,0 ‰ | Nachlassen von Koordination, Gleichgewicht und Reflexe, Trunkenheit |
3 l Bier bzw. 1,5 l Wein | 1,5 ‰ | Zunehmende Sprachstörungen, Redseligkeit, Emotionalität, starke Trunkenheit |
4 l Bier bzw. 2 l Wein | 2,0 ‰ | Übelkeit und Erbrechen, schwere Gleichgewichtsstörungen, Rausch |
ab 2,5 ‰ | Störung von Atmung und Blutkreislauf, motorisches Versagen, Bewusstlosigkeit, Lebensgefahr | |
über 4 ‰ | meist tödlich |
(Die Angaben sind exemplarische Durchschnittswerte und variieren je nach Konstitution des Konsumenten)
Schnelle Aufnahme - langsamer Abbau
Die fast unmittelbar einsetzende Wirkung von Ethanol auf das Gehirn resultiert aus der extremen Resorptionsgeschwindigkeit. Bereits binnen 15 Minuten werden vom Körper etwa 40 bis 50 Prozent des konsumierten Alkohols in die Blutbahn überführt. Für die Aufnahme der restlichen 50 bis 60 Prozent werden hingegen weitere 55 Minuten benötigt. Die Folge: Wer größere Mengen Alkohol in einem geringen Zeitraum zu sich nimmt, fühlt sich schneller und stärker betrunken, als wenn dieselbe Menge Alkohol auf einen längeren Zeitraum zugeführt wird. Verstärkt wird dieser Effekt durch die im Vergleich zur Aufnahme relativ langsame Abbaurate von Alkohol von nur rund einem Gramm Alkohol pro zehn Kilogramm Körpergewicht und Stunde.
Warum jeder Mensch Alkohol unterschiedlich schnell abbaut
Für den Abbau und der Unschädlichmachung des Zellgifts Ethanol ist die Leber hauptverantwortlich. Diese wandelt den zugeführten Alkohol mit Hilfe unterschiedlicher Enzyme (ADH1) zuerst in das noch stärker als Zellgift wirkende und krebserregende Acetaldehyd um, bevor es diesen in Essigsäure und schlussendlich in ungefährliches Kohlenstoffdioxid und Wasser abbauen kann. Wie lange die Leber für den Abbau von einem Gramm Alkohol tatsächlich braucht, hängt von der Verfügbarkeit von ADH1 ab und wird von festen Faktoren wie Geschlecht, Körpergröße und Ethnie, aber auch von individuellen Faktoren wie Körpergewicht und Trinkgewohnheiten beeinflusst. Ein regelmäßiger Alkoholkonsum führt dabei zu einer erhöhten Verfügbarkeit von ADH1 und beschleunigt den Abbau. Ein geringes Körpergewicht sowie eine kleinere Leber aufgrund einer kleineren Körpergröße bewirken einen gegenteiligen Effekt. Diese Faktoren bedingen auch, dass Frauen über weniger ADH1 als Männer verfügen, was zu einer etwa 15 Prozent verringerten Abbaurate von Alkohol führt.
Gleichzeitig besitzen Frauen aber auch einen im Vergleich zu Männern rund zehn Prozent geringeren Körperwasseranteil, der für eine höhere Blutalkoholkonzentration bei gleicher Konsummenge sorgt.
Die BAK kann mit Hilfe der Widmark-Formel berechnet werden. Der Anteil der Körperflüssigkeit wird hier klassischerweise mit 0,7 für Männer und 0,6 für Frauen angegeben.
BAK (in Promille)=(Alkoholmenge in g) / (Körpergewicht in kg∙Anteil Körperflüssigkeit)
Im folgenden Beispiel werden die geschlechterspezifischen Unterschiede bei der BAK und der Abbauzeit veranschaulicht. Ausgangssituation ist der zügige Konsum von 0,5 Liter Bier mit einem Alkoholgehalt von fünf Prozent auf leeren Magen.
reiner Alkohol | Max. BAK abzüglich 15 % Resorptionsdefizit |
Abbaurate | vollständiger Abbau nach | |
Männlich 75 kg |
20 g | 0,324 Promille | 1 g/10 kg pro h ≙ 7,5 g/h | 2 Std. 40 Min. |
Weiblich 60 kg |
20 g | 0,472 Promille | 0,85 g/10 kg pro h ≙ 5,1 g/h | 3 Std. 55 Min. |
Jede zehnte Krebserkrankung durch Alkoholkonsum
Die Liste der Gesundheitsrisiken eines unkontrollierten Alkoholkonsums ist lang. Studien machen Alkohol für jede zehnte Krebserkrankung verantwortlich, zudem stehen über 200 Krankheiten im Zusammenhang mit übermäßigem Alkoholkonsum. Neben der Gefahr einer akuten Alkoholvergiftung drohen Alkoholabhängigkeit, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Fettleber und Leberzirrhose sowie ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen, Herzmuskelerkrankungen und sogar Magen-, Speiseröhren- und Darmkrebs.
Empfehlungen für einen risikoarmen Konsum
Um das Gesundheitsrisiko so gering wie möglich zu halten, wurden die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) erst 2018 nach unten korrigiert. Nach der Veröffentlichung einer Studie im Wissenschaftsmagazin „The Lancet“, der zufolge bereits ein regelmäßiger Konsum von 100 Gramm Alkohol (fünf Bier) pro Woche das Leben verkürzt, hat auch die DGE reagiert und ihre Empfehlung von zuvor 24 und zwölf Gramm pro Tag angepasst: Als maximal tolerierbar gelten heute laut DGE:
- für gesunde Männer über 21 Jahre: maximal 20 Gramm Alkohol pro Tag (0,5 Liter Bier)
- für gesunde Frauen über 21 Jahre: maximal 10 Gramm Alkohol pro Tag (0,125 Liter Wein)
Ältere Menschen sollten sogar noch weniger als die empfohlenen Mengen konsumieren, da der Flüssigkeitsanteil im Alter sinkt und Alkohol langsamer abgebaut wird. Um negative Effekte auf die Gehirnentwicklung so gering wie möglich zu halten, wird Jugendlichen empfohlen, Alkohol sogar weitgehend zu meiden.
Ab wann ist Alkoholkonsum riskant?
Als riskanter Konsum wird der tägliche Genuss von alkoholischen Getränken sowie die Überschreitung der empfohlenen Menge angesehen. Ebenso wird das Rauschtrinken – der Konsum von mehr als drei (Frau) oder vier (Mann) alkoholischen Getränken zu einer Trinkgelegenheit – als riskant erachtet. Von Alkoholmissbrauch oder schädlichem Konsum wird gesprochen, wenn der Alkoholkonsum zu körperlichen, psychischen oder sozialen Schäden führt oder diese in Kauf genommen werden. Hierzu zählen auch Straf- oder Gewalttaten in Zusammenhang mit vorangegangenem Alkoholkonsum wie Alkohol am Steuer.
Die Übergänge zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholsucht sind meist fließend. Neueste Studien zeigen, dass chronischer Alkoholkonsum zu Veränderungen im Zwischenzellraum des Gehirns führt, sodass dieses durchlässiger für Dopamin wird. Wird nun Dopamin aufgrund von Alkohol oder anderen Suchtmitteln ausgeschüttet, kann sich der Botenstoff über immer großzügigere Räume im Gehirn verteilen und anreichern. Die Suchtgefahr steigert sich erheblich. Charakteristisch für eine Alkoholabhängigkeit sind erfolglose Versuche, das Trinken zu kontrollieren, das Auftreten von Entzugserscheinungen sowie das Vernachlässigen von persönlichen Interessen.
Ist Alkohol in Maßen gesund?
Wenngleich der Alkoholkonsum sowie das Rauschtrinken in Deutschland seit Jahren einen Abwärtstrend erfahren, hält sich der Mythos der gesundheitsfördernden Wirkung von Alkohol hartnäckig. Insbesondere Rotwein mit seinem komplexen Gemisch an antikarzinogenen, anti-entzündlichen und blutdrucksenkenden Polyphenolen soll in Maßen genossen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Zahlreiche epidemiologische Studien scheinen die schützende Wirkung von geringen Mengen Alkohol sogar noch zu unterstützen. Denn Personen, die Alkohol in moderaten Mengen konsumieren, weisen in vielen Untersuchungen ein niedrigeres Erkrankungsrisiko auf als Personen, die abstinent Leben. Dennoch ist sich die Wissenschaft über die Stichhaltigkeit der Befunde uneins. Zwar ist seit längerem bekannt, dass Alkohol zu einem Anstieg des HDL-Cholesterins führt und sich positiv auf die Fließeigenschaft des Blutes auswirkt, einen Nachweis über eine direkte ursächliche Beziehung zwischen moderatem Alkoholkonsum und dem Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen gibt es jedoch nicht. Vielmehr deuten viele Wissenschaftler einen moderaten Alkoholkonsum als Marker für eine bewusste Ernährungsweise, die sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Als gesichert gilt hingegen, das höhere Mengen Alkohol, Rauschtrinken und regelmäßiger Konsum das Risiko für unzählige Erkrankungen erhöhen.