Ein Knorpelschaden am Knie muss richtig behandelt werden. Welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt und was der Unterschied zu einer Arthrose ist, erklärte Prof. Dr. Johannes Zellner, der Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Caritas-Krankenhaus St. Josef, im Interview.
Knorpelschäden am Knie können in jedem Alter auftreten – bei jüngeren Patienten sind oft Sportverletzungen die Ursache. Mit zunehmender Dauer kann ein anfänglicher Knorpelschaden zu einem Verschleiß des gesamten Gelenks führen.
Ursache für einen Knorpelschaden
Prof. Dr. Zellner, was ist eigentlich ein Knorpelschaden und wie unterscheidet er sich von einer Arthrose?
Der Knorpel bildet die Gleitschicht im Gelenk. Er stellt für mich immer noch eine der faszinierendsten Strukturen im Körper dar. Bis heute gelingt es technisch nicht, eine Struktur herzustellen, die so glatt ist wie der Knorpel und über Jahrzehnte hinweg Bewegung nahezu ohne Reibung erlaubt – und das sogar mehrere tausend Mal am Tag. Das Problem ist dabei allerdings, dass ein defekter Knorpel in den seltensten Fällen von selbst heilt. Bei einem Knorpelschaden verändert sich diese Gleitschicht. Wenn dieser Prozess weiter voranschreitet und weitere Strukturen im Gelenk mitreagieren, kann sich daraus ein klassischer Gelenkverschleiß, sprich eine Arthrose, entwickeln.
Wie entsteht ein Knorpelschaden am Knie?
Einen ganz klassischen Auslöser für einen Knorpelschaden gibt es nicht. Die Ursachen können ein direkter Anprall, eine Verrenkung oder anderweitige Überlastungen des Kniegelenks sein.
Aber auch andere Verletzungen im Bereich des Kniegelenks wie ein Kreuzbandriss können sich unerkannt oder – wenn sie nicht vollständig ausheilen – auf den Knorpel auswirken und ihn schädigen. Der Großteil der diagnostizierten Knorpelschäden beruht jedoch auf langjähriger Überbeanspruchung. Er beginnt meist mit einem kleinen Schaden und kann sich dann zu einem kompletten Verschleiß des Knorpels entwickeln. Hierfür können verschiedene Dinge ursächlich sein: zum Beispiel eine exzessive Belastung über einen längeren Zeitraum oder eine ungerade Beinachse, wie sie bei Patienten mit O- oder X-Beinen auftritt.
Ein Knacksen im Knie hat aber nichts mit einem Knorpelschaden zu tun?
In der Regel nicht. Ein Knacken im Gelenk bemerkt der eine oder andere vielleicht häufiger und erschrickt dabei sogar, wenn es ein bisschen weh tut. Dabei handelt es sich aber nicht zwangsläufig um einen Hinweis auf einen Knorpelschaden. Das ist ein Phänomen, das auch in einem gesunden Gelenk einfach auftreten kann. Anders verhält es sich bei anhaltenden Reibe-Phänomenen oder einem Knirschen im Gelenk. Das sollte man schon eher von einem Arzt abklären lassen.
Ein Knirschen im Gelenk wäre also ein klassisches Symptom für einen Knorpelschaden?
Was eine „klassische“ Symptomatik betrifft, ist der Knorpelschaden tatsächlich gemein. Denn es existieren auch Knorpelschäden, die über einen langen Zeitraum ohne Symptome oder Erscheinungen wie Schmerzen verlaufen und sich erst in einem späten Stadium äußern. Zu den klassischen Symptomen eines Knorpelschadens zählt beispielsweise die Ergussbildung, bei der das Knie immer mal wieder dick wird. Aber auch Funktionseinschränkungen und Schmerzen können auf einen Knorpelschaden hindeuten.
Wie stark unterscheiden sich diese Symptome von der Arthrose?
Diese unterscheiden sich tatsächlich gar nicht so stark vom Knorpelschaden. Schwellungen und Schmerzen treten auch bei der Arthrose auf. Was aber typisch für die Arthrose ist und beim Frühstadium eines Knorpelschadens nicht auftritt, sind die klassischen Anlaufschmerzen in den ersten Metern nach dem Aufstehen, bis sich das Gelenk „eingelaufen“ hat.
Behandlungsmöglichkeiten beim Knorpelschaden
Besteht eine Chance, dass ein Knorpelschaden von alleine ausheilt, oder muss jeder Knorpelschaden therapiert werden?
Hier muss man unterscheiden: Immer dann, wenn noch ein Restknorpelgewebe vorhanden ist, therapiert man mit abschwellenden und entlastenden Maßnahmen. Dann kann oftmals auf eine Operation verzichtet werden. Handelt es sich aber um einen weiter fortgeschrittenen Knorpelschaden, bei dem der Knochen bereits frei liegt, sollte eine Operation – bei entsprechenden Beschwerden des Patienten – in Erwägung gezogen werden. Aber nicht jeder Knorpelschaden muss zwangsläufig operiert werden.
Je früher ein Knorpelschaden diagnostiziert wird, umso besser stehen also die Heilungschancen?
Auffällige Symptome abklären zu lassen, ist immer sinnvoll – gerade wenn eine Schwellneigung oder Funktionsstörung des Gelenks besteht. Wenn man so will, existiert hier schon eine Art Kaskadeneffekt. Ein kleiner Knorpelschaden birgt immer die Gefahr, dass sich das Milieu im betroffenen Gelenk derart verändert und sich im Laufe der Zeit zu einem kompletten Gelenkverschleiß weiterentwickelt. Gerade für die Frühphasen wie dem isolierten oder dem beginnenden degenerativen Knorpelschaden existieren mittlerweile gute Methoden, mit denen man auch langfristig die Notwendigkeit künstlicher Gelenke vermeiden kann.
Welche konservativen Therapien existieren für die Behandlung eines Knorpelschadens?
Zu den konservativen Therapien zählen abschwellende Maßnahmen wie Eisauflagen und symptomatische Behandlungen wie Bandagierungen oder Lymphdrainagen. Im Zentrum der konservativen Therapieformen steht immer der Versuch, den Bereich zu entlasten, in dem der Knorpelschaden besteht. Da ein Knorpelschaden nie komplett isoliert auftritt, muss man immer das gesamte Gelenk betrachten. Besteht beispielsweise auf der Innenseite eines Knies ein Knorpelschaden, betrachtet man die Beinachse und versucht, diese nach Möglichkeit durch Einlagen zu korrigieren, sodass die Belastung des Kniegelenks anschließend auf die Außenseite verlagert wird. Mittlerweile gibt es aber auch Orthesen, die die betroffene Stelle entlasten können.
Worauf zielen operative Therapien ab? Muss hier immer gleich das Gelenk ersetzt werden?
Nein, man muss nicht immer gleich auf ein künstliches Gelenk, beispielsweise in Form einer Knieprothese, zurückgreifen. Die regenerativen, erhaltenden Operationen zielen auf eine isolierte Behandlung des defekten Bereiches ab. Hier kommt es immer auf die Größe des Defektes an. Für kleinere Knorpelschäden eignen sich beispielsweise Anfrischungsmethoden. Dabei wird mittels kleiner Läsionen Knochenmark in den betroffenen Stellen angereichert, wodurch sich eine Ersatzschicht bildet. Bei größeren Knorpeldefekten ist für den regenerativen Bereich eine Knorpelzelltransplantation die Behandlung der Wahl.
Wie läuft eine Knorpelzelltransplantation ab?
Bei der Knorpelzelltransplantation handelt es sich um eine zweizeitige Operation: Bei der ersten Operation werden dem Patienten Knorpelzellen aus einer nicht belasteten Stelle entnommen. Anschließend werden sie im Labor gezüchtet und vermehrt. In einem zweiten Eingriff werden die körpereigenen Zellen in den Knorpeldefekt eingebracht, wo sie einen neuen Knorpel bilden können.
Welche speziellen Voraussetzungen müssen für eine Knorpelzelltherapie erfüllt werden?
Die Knorpelzelltransplantation funktioniert am besten bei einem isolierten Knorpelschaden, bei dem der Rest des Gelenks weitestgehend in Ordnung ist. Es muss also immer das ganze Gelenk betrachtet werden. Problematisch wird es beispielsweise bei einer größeren Achsabweichung. Hier muss man sich parallel zur Knorpelzelltransplantation um eine Begradigung des Beins kümmern oder auch eine vorhandene Instabilität oder etwaige Meniskusschäden mit behandeln. Studien zeigen, dass eine Knorpelzelltransplantation ohne diese zusätzlichen Maßnahmen in der Regel weniger erfolgreich ist.
Welche Aussicht auf Heilung besteht nach einem Knorpelschaden? Kann man danach wieder Sport treiben?
Ja, das kann man – das belegen mittlerweile auch zahlreiche Studien. Ausdauersport wie Radfahren, Joggen und Schwimmen sind gut geeignet. Die Rückkehr zu Stop and Go-Sportarten braucht sicher etwas länger. Hier ist ein optimaler muskulärer Status und eine gute Koordination zum Schutz des Gelenks zwingend nötig. Das macht die Therapie sicherlich langwieriger als bei anderen Sportarten. Studien zeigen aber sehr gut, dass in über 80 Prozent der Fälle eine Rückkehr zum Sport nach einer Knorpeltherapie möglich ist – wenngleich vielleicht auch mit leichten Leistungseinbußen.