Neben der amerikanischen wird auch die deutsche Bevölkerung seit 20 Jahren immer schwerer. Insbesondere der Anteil an Adipositas Erkrankten hat dabei deutlich zugenommen. Wie es zu der starken Zunahme an Adipositas-Fällen kam, lässt sich anhand geschichtlicher Hintergründe beantworten.
Mangelnde Bewegung und ständige Versuchungen sind kennzeichnend für die Erste Welt. Nicht selten führen diese beiden Charakteristika zusammen zu einem bestimmten Krankheitsbild – Adipositas. Somit verwundert es auch nicht, dass die deutsche Bevölkerung seit 20 Jahren immer weiter an Gewicht zulegt. Auffällig ist hierbei jedoch, dass der prozentuale Bevölkerungsanteil mit Übergewicht (BMI >30 kg/m2) stabil zu sein scheint, während der Anteil der an Adipositas Erkrankten (BMI >35 kg/m2) deutlich zugenommen hat – und das vor allem bei den jüngeren Erwachsenen. Aber auch die Zahl erkrankter Kinder und Jugendlicher ist erheblich gestiegen. „Möchte man die Zunahme der Adipositas in der Gesellschaft erklären, muss man nur die nähere Geschichte betrachten. Noch vor einhundert Jahren lebte der Mensch im Mangel. Er hat sich viel bewegt und dabei relativ wenig gegessen – heute ist es genau andersherum“, erklärt Dr. Benjamin Stäbler, Facharzt für Viszeralchirurgie im Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg.
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Adipositas: durch genetische Faktoren mitbedingt?
Übergewicht und Adipositas können auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden, grundsätzlich liegt jedoch immer ein dauerhafter Kalorienüberschuss vor. Führt man dem Körper regelmäßig und langfristig mehr Kalorien zu, als dieser durch Muskelarbeit verbraucht, speichert er die ungenutzte Energie in Fettreservoirs, von denen er in Zeiten mit schlechter Nahrungsverfügbarkeit zehrt. „Der menschliche Körper hat sich über tausende von Jahren perfekt an den Mangel angepasst, wer gut im Speichern war hat überlebt“, betont Stäbler. Die Veranlagung, Nahrung effektiv zu verwerten und die daraus gewonnene Energie gleichermaßen gut zu speichern, war Jahrtausende lang von Vorteil – heute stellt sie eine eher ungünstige Prädisposition dar und führt bei einer unausgewogenen, sehr zuckerhaltigen Ernährung mit mäßiger Bewegung zu einer dauerhaft positiven Energiebilanz. Das Risiko an Übergewicht zu leiden oder an Adipositas zu erkranken, ist deswegen auch durch genetische Risikofaktoren mitbedingt. Hierbei fließt auch der individuell genetisch veranlagte, unterschiedliche Ruheumsatz mit ein.
Konservative Therapien bei Adipositas
Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Adipositas eine Krankheit, die aufgrund ihrer unzähligen Begleiterkrankungen wie Altersdiabetes, Arthrose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Venenschwäche/-thrombose einer Behandlung bedarf. Bevor jedoch eine bariatrische Operation wie ein Schlauchmagen oder ein Magenbypass erwogen werden kann, gilt es das Gewicht mithilfe von multimodalen konservativen Therapien – Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie – zu reduzieren. Nicht nur, weil jeder operative Eingriff auch mit Risiken verbunden ist, sondern auch, weil die Krankenkassen erst nach der Absolvierung einer sechs- bis zwölfmonatigen Therapie eine Übernahme der Operationskosten in Aussicht stellen. „Das Problem ist hierbei allerdings, dass die Krankenkassen kein ganzheitliches Therapieprogramm zur Verfügung stellen, ebenso werden die Kosten für die Therapien nicht immer übernommen“, kritisiert Dr. Stäbler. Bringen die angewandten Therapien im Anschluss nicht den gewünschten Erfolg, werden sie oftmals als schlecht ausgeführt bezeichnet, um eine Kostenübernahme für eine Operation nicht gewähren zu müssen.
Eigenes Programm für konservative Adipositas-Therapien
„Auch wenn eine Therapie nicht den erwünschten Erfolg bringt, ist sie immer noch notwendig. Man darf sie auch nicht als geschlossen betrachten. Sie bereiten die Patienten auch auf ihr Leben nach der Operation vor. Wird ein bariatrischer Eingriff vorgenommen, reduziert sich das Magenvolumen von etwa einem Liter auf gerademal 80 bis 120 Milliliter beim Schlauchmagen und 20 bis 50 Milliliter beim Magenbypass. Wird die Ernährung zuvor nicht umgestellt, kann dies zu verschiedenen Mangelerscheinungen, Dumping oder Muskelabnahme führen.“ Doch nicht nur das Richtige zu essen, das heißt auf eine ausgewogene und proteinreiche Ernährung zu achten, wird ohne Kompromisse zum Pflichtprogramm. Denn im Hinblick auf die extreme Verkleinerung des Magenvolumens verliert der Magen seine Reservoirfunktion, die verhindert, dass schlechtverdaute Nahrung in den Dünndarm gelangt. Passiert dies doch, spricht man vom sogenannten Dumping-Syndrom. Je nach Form und Schwere kann es dabei zu Zittern, Herzklopfen, Schwindel oder Ohnmacht kommen. Um dies zu vermeiden, ist vor allem ein an das Magenvolumen angepasstes Essverhalten notwendig.
Aufgrund der schlechten Versorgung mit Therapiemöglichkeiten durch die Krankenkassen, bietet das St. Josefs Krankenhaus in Kooperation mit dem Zentrum für ambulante Rehabilitation Regensburg (ZAR) ein eigenes Programm multimodaler konservativer Therapien an.
Schlauchmagen oder Magenbypass?
Schlauchmagen und Magenbypass gelten als Standardverfahren in der Adipositas-Chirurgie und können in der Regel ohne Komplikationen durchgeführt werden. „Beide Verfahren sind heute mittels eines minimalinvasiven Eingriffs durchführbar. Die Schlüssellochmethode senkt dabei nicht nur die Komplikationsraten, sondern ebenso die Wundflächen. Fünf bis sechs kleine Schnitte reichen bereits aus, um den Eingriff durchzuführen“, erläutert Dr. Stäbler. Auch wenn beide Operationen mit einer 60 bis 70-prozentigen Verringerung des Übergewichts einen ähnlichen Effekt auf den Patienten haben, hängt das Mittel der Wahl immer von den individuellen Umständen des Patienten ab. Der Magenbypass hat beispielsweise einen noch besseren Effekt auf die Begleiterkrankungen, führt aber zu einer extrem verringerten Resorptionsrate des Magens (Malresorption), weshalb er für Patienten, die auf starke Medikamente angewiesen sind, weniger geeignet ist. Um einem etwaigen Nährstoffmangel vorzubeugen sind die Patienten überdies auf Nahrungsergänzungsmittel angewiesen. Mit einem Restvolumen von etwa 20 bis 50 Milliliter schränkt er auch die Genussqualität des Patienten stärker ein als der Schlauchmagen. Beide Varianten führen bei der falschen Nahrungsaufnahme zu Reflux oder Dumping, wobei Patienten mit Magenbypass sensibler reagieren. Beide haben Vor- und Nachteile.
Im Gegensatz zum Schlauchmagen ist der Bypass allerdings reversibel. Denn während beim Schlauchmagen das Magengewebe bis auf ein Restvolumen von 80 bis 120 Milliliter komplett entfernt wird, wird beim Magenbypass „lediglich“ in die Anatomie des oberen Magen-Darm-Trakts eingegriffen, ohne dabei Teile aus dem Körper zu entfernen. Bei diesem Verfahren werden der Magen (kurz nach der Speiseröhre) und der Dünndarm (kurz nach der Gallenblase) beschnitten und vom Verdauungssystem getrennt. Im Anschluss wird der Magen direkt mit dem Dünndarm verknüpft, sodass die an der Verdauung beteiligte Magenpassage nur noch 20 bis 50 Milliliter Nahrung aufnehmen und verdauen kann. Das von der Verdauung getrennte Magengewebe wird verschlossen und das anhängende Dünndarmgewebe über eine neue Verbindung mit dem Dünndarm verknüpft, sodass die Enzyme der Gallenblase dem Verdauungssystem wieder zugeführt werden können.
Mut zur Selbsthilfe bei Adipositas
„Der Weg zum Arzt ist immer mit Verunsicherung verbunden“, weiß Dr. Stäbler. Dennoch macht er seinen Patienten Hoffnung. Durch den Eingriff verbessert sich nämlich nicht nur die Lebensqualität der Patienten, die langfristige Gewichtsreduktion führt auch zum Rückgang verschiedener Begleiterkrankungen: „Auch die Altersdiabetes kann durch die Gewichtsabnahme geheilt werden“, so Dr. Stäbler. Dennoch sind viele Betroffene meist verunsichert. So wirft eine anstehende OP auch viele Fragen auf, die nicht in einer Gesprächsstunde geklärt werden können: Wie wirkt sich die Operation auf mein weiteres Leben aus? Welche Risiken sind damit verbunden und welche Operation ist die bessere Alternative für mich? Diese Unklarheiten müssen unbedingt im Vorfeld abgeklärt werden. „Hier ist es meist ratsam, entweder an Informationsveranstaltungen teilzunehmen, oder sich Selbsthilfegruppen zu suchen.“ Gerade bei den Selbsthilfegruppen hat man den Vorteil, dass man sich mit Personen austauschen kann, die einen bariatrischen Eingriff hinter sich haben und über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Operationen aus der eigenen Erfahrung heraus kennen.